Teilnahme am Courage Fachtag Klassismus

 
Courage Fachtag Klassismus quadratisch

Am 12.05.2020 fand der sogenannte Courage-Fachtag Klassismus statt. Aufgrund der Corona-Pandemie als Webinar. Neben spannenden Vorträgen, durch Andreas Kemper, Christina Urner und Dr. Dieter Dohmen, fand zum Abschluss eine Podiumsdiskussion, mit den Referent_Innen, erweitert durch Martin Birkner vom DGB satt. Auch wir durften einen Beitrag in der Debatte rund um Klassismus leisten. Unser Landesvorstandsmitglied und Mitglied der AG Rassismuskritik Buket Fidan konnte die Diskussion um einen intersektionalen, antirassistischen Standpunkt erweitern. Ein Auszug aus Bukets Redebeitrag lautete folgendermaßen:

„Dabei denken wir diese bearbeiteten Diskriminierungsformen intersektional. Was bedeutet das? Intersektionalität beschreibt die Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen in einer Person: Intersektionale Diskriminierung liegt vor, „wenn – beeinflusst durch den Kontext und die Situation – eine Person aufgrund verschiedener zusammenwirkender Persönlichkeitsmerkmale Opfer von Diskriminierung wird.“ Es ist ein Konzept, das aus der Bewegung des Black Feminism entstanden ist. Damals konnten sich Schwarze Frauen nicht, mit dem Feminismus weißer bürgerlicher Frauen identifizieren und führten aus, dass sie im Gegensatz zu weißen Frauen nicht nur von Sexismus, sondern auch von Rassismus und Klassismus betroffen waren und diese Themen im weißen Feminismus nicht ausreichend thematisiert worden sind.

Was hat das nun mit uns Alevit_innen zu tun? Eine Diskriminierungsform, die uns offensichtlich betrifft, ist Rassismus, da die Jugendlichen unseres Verbandes zwar zum großen Teil Deutsche sind, jedoch ihre Wurzeln in Anatolien liegen. Ihnen wird also über ein Merkmal entweder Kultur, Herkunft, Haarfarbe etc. eine Gruppenzugehörigkeit z.B. als Türk_in oder als Kurd_in gegeben, um sie dann darüber abzuwerten. Oft kann das bei abwertenden Beschimpfungen anfangen, aber auch zu viel schlimmeren Situationen kommen. Wenn wir uns die rassistische Gewalt in Deutschland anschauen, speziell der NSU, dann führt Rassismus zu Mord. Auch in der Schule begegnet uns Rassismus tagtäglich, welcher dann zur Bildungsbenachteiligung führt. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund:

- Über geringere familiäre Ressourcen, niedrigere schulische Kompetenzen verfügen (Oft ist die Sprache in Deutschland fremd und die Eltern haben keinen deutschen Schulunterricht besucht)
- Bei gleicher Leistung schlechtere Noten erhalten
- Durch Lehrer_innen ihnen eine schlechtere Schullaufbahn empfohlen wird. Obwohl sie zum Beispiel ein Abitur machen könnten, eine Empfehlung für die Realschule bekommen.

Ähnliche Erkenntnisse wurden festgestellt, wenn Menschen klassistisch abgewertet werden. Bildungsbenachteiligung ist also nicht etwas was durch die_den einzelne_n Lehrer_in verändert werden kann, es ist ein strukturelles System eingebettet in unsere Institutionen wie Staat und Schulen.

Als weiteren Hintergrund zu unserem Verband möchte ich hier noch erklären, dass viele Mitglieder unserer Community inzwischen 2-3. Generation Migrant_innen sind, das heißt viele unserer Verbandsmitglieder aus klassischen Arbeiterfamilien stammen, die in den 60er und 70er Jahren nach Deutschland gekommen sind. Das heißt viele unserer Mitglieder sind Arbeiterkinder. Wenn wir nun den Begriff der Intersektionalität wieder ins Spiel bringen wird deutlich, warum die etwas längere Definition zu Beginn meines Redebeitrags notwendig war. Wir die Alevitischen Jugendlichen werden in diesem Bildungssystem zum Großteil nicht nur rassistisch benachteiligt, sondern viele Mitglieder auch noch zusätzlich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu ihrer Klasse. Auf klassistische Benachteiligung möchte ich an dieser Stelle nicht mehr genauer eingehen, da meine Vorredner_innen dies schon ausführlich getan haben. Ich möchte vielmehr die Redebeiträge erweitern, mit dem Appel, dass Komponenten wie Rassismus, Sexismus und alle anderen Formen von Diskriminierung immer wieder mit in die Analyse einbezogen und aufgezeigt werden sollten, dass unser Bildungssystem, wenn es denn den Anspruch hat gleiche Bildung für alle Menschen zu ermöglichen, noch einen weiten Weg vor sich hat. Intersektionalität erscheint dabei als Werkzeug und Methode die Missstände unseres Bildungssystems besser sichtbar zu machen.


Denn in der Praxis dienen die Vermischung rassistischer und klassistischer Stereotype dazu, dass das Bild des „faulen Ausländers“ manifestiert wird und die strukturelle Abwertung ermöglicht, diesen Zustand oder Eigenschaft als Selbstgemacht und quasi-natürlich erscheinen zu lassen. Entgegen aller Erkenntnisse der Wissenschaft.“

GST Mai 2020